Beutel-Eule Unterwegs- Pack den Jutebeutel! Wir gehen auf ein Hausboot!

Pack den Jutebeutel! Wir gehen auf ein Hausboot!
Lagebesprechung
„Mhm, was ist eigentlich, wenn das Wetter genauso wird, wie es in der App steht?“, sagte er und zog dabei die Augenbrauen nach oben.
Das wäre ein Desaster. Hinaus geschmissenes Geld. Wer geht schon bei Windstärke 12 und sintflutartigen Regenfällen auf ein Hausboot?
„Aaaaaaach. Das wird schon! Es wird super schönes Wetter. “, sagte ich stattdessen und machte diese lässige Handbewegung, wie man sie immer tut, wenn etwas sehr Lästiges sehr unwichtig gemacht werden soll. Es wirkte wohl unglaubwürdig, was sich dadurch unterstrich, dass ich auf die Frage: „Sollen wir Sonnencreme einpacken?“ nur hysterisch zu lachen begann.
Wer braucht schon Wetter!
Unser Plan war es, zwei herrliche Tage auf einem richtigen Hausboot zu verbringen. Mit Wasser, Boot und Haus. Also so richtig. Ein Beutel-Shooting für ein neues Beutel- Sommermodell sollte dort ebenfalls stattfinden. (Bleibt schön neugierig!)
Unweit von Leipzig, irgendwo auf der Leipziger Seenplatte und in einem Örtchen namens Bitterfeld, das sich wirklich als echte Stadt bezeichnet, hat sich die Natur und eine Armee von Landschaftsplanern eine alte Kohlegrube zurückgeholt. Aus dem ehemals hässlich grauen Tal des schwarzen Kommerz ist ein wunderbares Naherholungsgebiet geworden. Quasi ein Bitterfelder Upcycling.
Auf dem Goitzsche See, so nennt sich das künstliche Idyll, schippern also richtige Hausboote umher und wir durften darin übernachten!
Am Tag der Abreise begleitete uns wunderbarer Sonnenschein. Obwohl die App und die monoton freundliche Stimme von Siri noch immer hysterisch vor Regen, Sturm und fliegenden Kühen warnten, hatten wir todesmutig Sommersachen eingepackt. Man weiß ja nie. Die Sonnencreme ließen wir daheim, so sehr wollten wir unser Glück dann doch nicht herausfordern.
Die Ankunft
Die Kommunikation mit der Hausbootvermietung hatte sich im Vorangegangen etwas schwierig gestaltet und so standen wir auch am Hausboot angekommen vor dem verschlossenen Tor des kleinen Hochsicherheitstracktes. Hinter den schwarzen Eisenstangen lugten auch schon die Hausboote erwartungsvoll hervor. Wir lugten ebenso erwartungsvoll über das Tor, sodass es wohl in einen Anlug-Wettbewerb ausgeartet wäre, hätte sich nicht ein netter Mensch erbarmt und uns Hof und Tor geöffnet. Wie sich herausstellte, war es der Schwager von der Nichte des Bruders und der Vermieterin. Auf jeden Fall irgendwie Familie. Die Vermieterin sei gerade auf dem Schießstand, er wolle uns einweisen. Aha.
Der nette Mann, der uns ein bisschen an einen gut aussehenden Jürgen Vogel erinnerte, erzählte uns das Hausbootprojekt sei so eine Familiensache. Fast zehn Boote zählt die kleine Marina seit 2015 schon.
Meine Olle
Aufgereiht wie an einer Perlenschnur dümpelte unser Domizil für die nächsten Tage am Kai mit einer Reihe aus anderen Hausbooten herum. Auch wenn wir mit dem Schiffchen „Meine Olle“, ein wenig schmeichelhafter Name, nicht über die sieben Weltmeere schippern konnten, da wir kaum Steuer- von Backbord unterscheiden können, waren wir ziemlich begeistert.
Das Haus war so neu, wir hätten bestimmt noch irgendwo eine Schutzfolie zum Abziehen gefunden. Es hatte sogar noch diesen speziellen Duft, wie ihn nur neue Autos, Knisterfolie und Teppichböden im Baumarkt haben.
Mozart
Zum Boot inklusive gab es auch einen Schwan im Komplettpaket, den wir liebevoll Mozart tauften. Mozart kam in regelmäßigen Abständen am Boot vorbei geschippert, in der Hoffnung die dummen Menschen würden endlich mal wieder ein bisschen Essbares locker machen. Am Ende der zwei Tage hatten wir ihm Männchen-Machen, Flügel geben und Schach beigebracht. Außerdem fraß uns Mozart zwei ganze Weizenmehlbrötchen weg. Wir versuchten, ihn daraufhin gesünder zu ernähren und stiegen auf Feldsalat um. Er richtete uns aus, den Scheiß könnten wir selber fressen. Schönen Dank Mozart. Am Ende wurde er mit einem Stück dieser Fairtrade-Kekse aus dem Aldi gefüttert. Danach machte er pathologisch klingende Schnappgeräusche, vielleicht simulierte er aber nur. Trotzdem: Mozart! Wenn du das hier liest, sorry, wir wollten dich nicht mit Aldikeksen vergiften.
Vorsichtshalber haben wir aber schon gegoogelt, ob so ein Schwan essbar ist.
Eine Radtour mit Beutel um den Goitzsche See
Es begab sich also in einer Zeit da wir am zweiten Tag auf dem Hausboot waren, dass wir zum Schwan auch Fahrräder dazubekommen hatten. Während das Herrenrad in einem mattschwarzen Samtlack und Federgabelung auf dem Hof vor sich hin glänzte, quietschte das lilafarbene Damenrad mit fünf Gängen aus der Garage. Von den fünf Gängen war genau einer fahrbar, nämlich die drei. Es begab sich also ferner, dass ich die komplette Strecke in einem Gang bewältigen sollte. “Ha!”, höre ich da den aufmerksamen Leser aufmerken, “Die Leipziger Seenplatte ist wie ein Blondinenwitz. Nämlich flach!”
In der Theorie mag der Leser recht haben. Trotz des dritten Gangs erwies sich die Fahrt als angenehm. Befestigte Wege, keine Hügel, alles ausgeschildert. Ist doch wunderbar.
NEIN!
Gefangen in der Wildnis?
Nachdem ein Dreiviertel der Strecke inklusive Stopp in einem Restaurant mit dem bemitleidenswerten Kellner Drei, der für eine Bestellung geschlagene 35 Minuten brauchte, geschafft waren, erwies sich ausgerechnet das letzte Stück als tückisch. Die Landschaft verwandelte sich zusehends, so als hätten die Landschaftsplaner mal eben den Stift beiseite gelegt. Die durchgestylten Ecken des Goitzsche Sees, bebaut mit süßen roten Ferienhäusern, wandelten sich schon bald in eine karge Sandlandschaft. Abgestorbene Bäume, vom Wind gebeugt, drängten sich wie Mikadostäbe auf den Abhängen. Während wir auf unseren Drahteseln den Weg suchten, kreuzte Frodo unseren Weg, der sich auf der Reise zum Schicksalsberg in Modor verlaufen hatte und nun seine Crew suchte. Plötzlich stellten auch wir fest, dass wir laut Google Maps auf unserem Radweg in die völlig entgegengesetzte Richtung gondelten. Auf diesem Weg würden wir nicht zurück kommen. Mittlerweile war es schon Abend, die Sonne neigte sich langsam gen Horizont und wir standen noch immer mit einem klapprigen Damenrad, bei dem nur ein Gang funktionierte, in der Pampa und starrten auf unser Telefon, in der Hoffnung es möge uns doch endlich sagen, wie wir nach Hause kämen. Keine Menschenseele, kein Schild weit und breit. Nur ein gehässiger Kuckuck lachte uns aus. Nachdem wir das Handy lange angestarrt hatte und es ebenso missmutig zurückgestarrt hatte, entschieden wir uns eine alternative Route zu suchen, denn Umkehren war unmöglich. War dort nicht vorhin so ein Waldweg gewesen? Vielleicht geht es ja dort entlang.
Die erste Sackgasse gab den Blick auf eine unwirtliche Mondlandschaft frei, in der Mitte des verstaubten Tals glaubten wir sogar, die wehende amerikanische Flagge zu sehen. Hier hatten sie wohl die Mondlandung gefilmt. Orangefarbene Suppe, die sich erfolgreich als Bach tarnte, kroch durch die kahle Sandlandschaft und ein Stopp-Schild warnte uns vor dem sicheren Tod. Langsam bekamen wir Durst, Hunger und das Bedürfnis, mit dem rechten Fuß hart aufzustampfen.
Umkehren ist unmöglich
Kurz: Umkehren war unmöglich, schließlich trennte uns, laut Siri, nur ein Katzensprung von der Hausbootmarina. Doch zwischen uns und dem Hausboot lag der weitläufig abgesperrte Drehort der Mondlandung.
Wenigstens die Forstwege mussten uns doch ans Ziel bringen können. Nachdem wir die Räder, immer den Reifenspuren nach, auf einen der Sandhügel geschoben hatten, ging es also über Stock und Stein immer in Richtung See. Irgendwann verliefen sich aber auch die Reifenspuren im Sand des alten Tagebaus und wir standen mitten im Nirgendwo auf einem sehr großen Sandhaufen. Unter uns breitete sich Sumpf und Sand aus. Kurz spielten wir mit dem Gedanken, das Todestal zu durchqueren.
“Wenn wir uns jetzt da durch schlagen und etwas passiert,”, sagte er in diesem dramatischen Ton, wie man ihn aus Action-Filmen kennt, “dann findet uns hier niemand.”
Das sah ich ein: “In Hollywoodfilmen würden sie jetzt sagen: ‘Was sollen wir nur tun?'”
Wir wogen unsere Möglichkeiten in dieser ausweglosen Situation ab. Noch gute zwei Stunden sollten wir Sonnenlicht haben. Bis dahin, so entschieden wir, folgten wir weiter dem Radweg und hofften, innerhalb von zwei Stunden auf Zivilisation zu stoßen. Ansonsten, so schworen wir, würden wir uns in Embryonalstellung zusammenrollen und uns von den Füchsen holen lassen.
Der Weg nach Hause
Nach einer halben Stunde Fahrt ins Ungewisse nahm als erstes wieder ein unscheinbares Schild Kontakt mit uns auf und wies uns darauf hin, dass wir uns in der Nähe von Zivilisation befänden, unweit von Bitterfeld. Wir hatten das Gefühl, schon vor Wien zu stehen. An einer Waldkreuzung zeigte das Schild: Links ginge es nach Bitterfeld, rechts ginge es nach Bitterfeld. Das war das ikonische Pendant von “Ja” im Hinblick auf die Frage: “Sind Sie Atheist oder religiös?”
Ein älteres nettes Ehepaar, das wohl der Himmel gerade an diese Kreuzung schickte, bot an, uns ins Schlepptau zu nehmen, damit wir auch wirklich ankämen. Sie beschrieben uns den Weg präzise: “Se fahrn nu eefach grad naus. Ne rechts, ne links. Grad aus. Da komm se of jedn Fall a. Wenn ses net finden, könn se och bei uns im Windergartn schlafn.”
Dehydriert überlegten wir ernsthaft das Angebot der netten Leute anzunehmen, entschieden uns dann aber doch dafür, durchzuhalten.
Wir kamen auch tatsächlich am Hausboot an. Mozart erwartete uns schon.
Als Stadtkinder schüttelten wir uns vor Lachen über unsere grenzenlose Dummheit und die witzige Dramatik. Im Nachhinein wäre alles so einfach gewesen. Wir hätten einfach auf Rotkäppchens Mutter hören und nicht vom Weg abkommen sollen. Aber naja, am Ende ist man immer schlauer.
Fazit
Für einen Kurztrip in einer mondänen und ziemlich schicken Absteige, ist das Hausboot auf jeden Fall zu empfehlen. Je mehr Leute ihr mitbringt und je länger ihr bleiben wollt, desto günstiger wird es für Euch. Der Goitzsche See ist natürlich ebenfalls eine Augenweide. ABER: Hütet euch vor dem Radweg und kommet nicht vom Wege ab, ihr lieben Beutelfreunde!
Nützliche Links
Hier geht es zu Homepage der Hausbootvermietung Seeblick
Falls ihr ein Ziel für einen Kurztrip braucht: Hier geht es zum Goitzsche See
Beutel-Eule auf hoher See
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