Beutel-Eule Unterwegs – Nachts halb zwölf in der Bahn
Beutel-Eule Unterwegs – Nachts halb zwölf in der Bahn
Ich wohne in Dresden. So jetzt ist es raus.
Für alle digitalen Stalker, meine Freunde (Ja tatsächlich habe ich echte Freunde, die man nicht auf Beutel drucken kann. Obwohl…, egal) und der Postbote wissen, ist der Hauptstützpunkt von Beutel-Eule in Dresden. Wer in den vorangegangenen Beiträgen aufgepasst hat, wird sich noch ganz dunkel erinnern, dass mir die Kunst des Autofahrens bis heute ein Rätsel ist, die ich (Achtung Spoiler) erst Anfang September entschlüsseln werde. Das bedeutet aber auch, dass ich auf den städtischen Nahverkehrt der ostdeutschen Metropole angewiesen bin, der – ganz ohne Ironie- wie ein gut geöltes Uhrwerk funktioniert. Außer bei Jubiläen der hier angesiedelten PEGIDA, den selbsternannten Mimimimi- Patrioten, die meinen, früher im Mittelalter sei alles besser gewesen. Als noch Hexen und wissenschaftliche Fakten gemeinschaftlich verbrannt wurden und man singend am lodernden Lagerfeuer saß und sich Gruselgeschichten vom Schwarzen Peter erzählte. Das dürfe man ja heute nicht mehr sagen, skandieren die Dieters, Horste und Karins, man dürfe ja heute nicht mehr zum Verbrennen von intelligenten Rothaarigen aufrufen. Wenn sie also brüllend übers Kopfsteinpflaster robben, dann liegt der Nahverkehr meistens brach. Oder bei Events, bei denen maßgeblich Fahrräder involviert sind.
Wie dem auch sei. Dies ist keine Geschichte über Bahnausfälle, sondern über seine Insaßen.
Es begab sich also, dass ich am späten Montagabend oder zum frühen Beginn der Nacht, meine Bahn nach Hause nahm.
Hinter mir saß schon ein Pärchen, vielleicht ein bisschen zu betrunken, aber offensichtlich sehr redselig. Nennen wir sie Franzi und Jan. Sie sahen aus wie eine Franzi, und sie wie ein Jan.
Franzi war definitiv die betrunkenere Partei in diesem Gespann, das betonte sie ununterbrochen, während sie mal nicht die Haltestellen in mein Ohr brüllte. Jan hatte weniger getrunken und noch weniger Kleingeld. Verzweifelt versuchte er bei den Umsitzenden einen Zwanziger in zwanzig Cent Stücke zu wechseln. Seltsamerweise hatte kein Fahrgast mal eben 100 20 Cent Stücke parat. Jan war schockiert und fragte verzweifel in die Runde, ob er nun in den Knast müsse, wenn ein Kontrolleur käme. Nachts. Halb zwölf. Man war sich einig, dass er wohl auf Bewährung raus käme. Jan beruhigte dieses juristische Einschätzung wenig und fragte mich, ob ich wechseln könne. Ich holte meine Schatztruhe heraus und wollte gerade die hundert Stück abzählen, da überkam es mich und ich schenkte ihm einfach zwei Goldstücke. Maßgeblich weil ich keine Schatztruhe hatte und einfach zu faul und kopfrechnerisch untrainiert bin, um nachts adäquat einen Zwanziger zu zerlegen. Während Jan also sein Ticket löste, begann Franzi redselig zu werden.
Hier ist ihre Geschichte:
“Weißt du”, sagte sie und schaute Jan tief in die Augen. “Du hast sooooo große Ohren. Wie ein Elefant.”
Jan bedankte sich höflich.
“Weißt du was?”, setzte Franzi wieder an und gluckste dabei. Jan verneinte. “Mein Kollege, der hat ne Tante.”
“Na sowas”
“Weißt du was?”, Franzi kam jetzt richtig in Fahrt. “Der hatte ne Tante und weißt du was? Die war krank. Das ist traurig, aber weißt du was? Die war sooooooooo fett, die haben se nicht ins MRT bekommen.”
“Na sowas”
“Weißt du was?”
“Nein”
“Ich bin echt betrunken.”
“Na sowas. Wie ging’s weiter?”
“Was denn?”
“Na die Tante mit dem MRT”
“Achso, ja weißt du was: Das MRT war zu klein und sie war zu fett.” Franzi demonstrierte die Größenverhältnisse von Tante und MRT sehr bildlich. “Und weißt du, was sie dann gemacht haben?”
Mittlerweile klebte die komplette Bahn an Franzis Lippen. Jochen und Ali ganz hinten schlossen schon Wetten ab, was als nächstes passieren würde, Johanna nebenan kaute auf ihren Fingernägeln vor Spannung, irgendwo fiel ein Döner zu Boden.
Franzi machte eine Pause, versuchte den Schwindel in den Griff zu bekommen, gluckste: “Die haben sie in den Zoo gefahren. Zum Elefanten-MRT und da haben sie dann ein Elefanten-MRT-Bild gemacht. Weil sie so dick ist.”
“Im Zoo?”
“Ja, stell dir das mal vor. Da kommt ne dicke Frau in den Zoo und fragt, ob sie das Elefanten-MRT benutzen kann.”, kicherte Franzi.
“Und was ist dann passiert?”, fragte Murat von rechts vorne. Die ganze Bahn kicherte jetzt dümmlich vor sich hin. Man stellte sich das ganze allzu bildlich vor.
“Naaaaaa, sie ist gestorben.”, sagte Franzi leichthin.
“Oh.”, machte die ganze Bahn und schämte sich. Den Plot hatte niemand kommen sehen.
“Aber das ist ja nicht schlimm. Wenigstens war sie nochmal im Zoo.”
Montag Nacht, halb zwölf in Dresden.
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