Beutel-Eules Adventskalender 2017- #23 Der Tag, an dem ich den Weihnachtsmann hasste
Türchen 23
Der Tag, an dem ich den Weihnachtsmann hasste
Morgen ist es wieder soweit! Kinder lieben den Weihnachtsmann, denn die Werbung suggeriert, dass ein bärtiger dicker Mann mit offensichtlicher Vorliebe für süßes Zuckerwasser, welches, will man seiner Nase Glauben schenken, wohl mit einer gehörigen Portion Rum angereichert ist, in einem knallroten Truck durch die Welt tourt und Geschenke an grenzdebil grinsenden Kinder verteilt. Hätte er keinen Rauschebart und nicht diesen zeitlos roten Mantel an, würden einige Eltern aus der kreuzberger Elternvertretung wegen dieser bemerkenswerten Kinderliebe Sturm laufen. Wie dem auch sei: Für Eltern wie Kinder gibt es nichts Großartigeres als einen alten Mann, der im echten Leben wahrscheinlich ein schlecht bezahlter Tankwart ist und irgendwann am späten Nachmittag an die Tür hämmert, um Geschenke zu verteilen und im Gegenzug Kekse wegzufuttern. „Na hör doch mal, wer da kommt!“, ruft man dann. „Ist das denn der Weihnachtsmann?“ Ja wer denn sonst, er sagte bereits: „Ho Ho, hier ist der Weihnachtsmann!“
Nun denn: Ich mochte ihn nie, den Weihnachtsmann. Ich hasste ihn. Er versaute mir jedes, verdammte Weihnachtsfest.
Der normale Ablauf einer Bescherung
Normalerweise läuft das Ganze ja so ab: Der Weihnachtsmann poltert an die Tür, man soll als Kind öffnen. Während ich also in meinem furchtbar roten Weihnachtskleidchen den langen Gang entlang schlich, meine ganze Familie erwartungsvoll aus dem Wohnzimmer lugte und glaubte, mir mal was Gutes zu tun, war mir jedes Mal schlecht vor Aufregung, wenn ich die Klinke unserer Wohnungstür nach unten drückte. Denn dann poltere der große rote Mann mit donnernder Stimme in die Wohnung, schleifte einen großen Geschenkesack hinter sich her und schwang entweder die Reisigrute oder eine Messingglocke. Sehr laut. Meistens brachte er auch seinen Hund mit, Dusti, den Himmelhund. Den fand ich zumindest klasse. Ich hatte eigentlich auch nichts gegen den alten bärtigen, etwas ungehobelten Mann, der da durch die Tür platzte. Ich fand es auch in Ordnung, irgendein seltsames Gedicht aufzusagen, im Gegenzug für meine Geschenke. Im Leben bekommt man schließlich nichts umsonst. Damit wäre alles im Rahmen meiner Toleranz geblieben, es war eben so Tradition. An dieser Stelle enden meist die Geschichten herkömmlicher Bescherungen. Gedicht, Geschenk fertig.
Der unnormale Ablauf einer Bescherung
Nicht aber bei diesem Weihnachtsmann. Denn bevor es Geschenke gab, fragte er süffisant, ob ich denn auch immer brav gewesen sei, was ich natürlich jedes Mal und in bester Absicht nickend quittierte. Heute würde ich wohl entweder eine anzügliche Bemerkung machen oder ihm sagen, dass ihn das überhaupt nichts anginge. Damals jedoch holte der Weihnachtsmann einen Spickzettel hervor und zählte all das auf, was ich wohl in den letzten drei Monaten verbrochen hatte und führte damit meine genickte Behauptung, ein sehr braves Mädchen gewesen zu sein, ad absurdum. Im kindlichen Trotz versuchte ich mit ihm zu diskutieren, dass ich die Vase gar nicht kaputt gemacht habe und nichts dafür könne, dass es so etwas wie Erdanziehung gäbe. Da stand ich also nun im samtroten Kleidchen, meine Familie saß um den Festtagstisch herum, meine Mutter nickte an einigen Stellen und ich ließ es über mich ergehen, bis er endlich am unteren rechten Rand des Zettels angekommen war.
Eine Rückseite gab es nur im Jahr 2001.
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