Sprücheklopfer- Darum will niemand Hipster sein
“Es war einmal ein Hipster und der hieß Justus. Aber Justus wollte eigentlich kein Hipster sein….”
Märchen aus dem Jahr 2569
Nachdem wir uns schon eingängig mit Glitzerliebhabern und Regentänzern auseinandergesetzt haben, stellen wir euch heute ein Phänomen vor, das eine wirklich seltsame Erscheinung unserer Zeit ist: Der Hipster.
Da wir hier gendern, zählen wir unter dem Begriff natürlich auch alle anderen Identitäten dazu, aber im Folgenden werden wir ihn einfach nur HIPSTER nennen.
Wie komme ich auf dieses Thema?
Gestern gönnte sich die Beutel-Eule etwas Fantastisches. Nämlich einen richtigen Burger in einem der bestbesuchtesten Restaurants der Stadt. Man bekommt zwar einen Tisch, jedoch muss dem Kellner am Telefon das erste Kind versprochen werden, wenn er doch bitte noch vor 21 Uhr einen Tisch reserviert. Kommt man 5 Minuten zu spät, weil die arbeitsame Kassiererin bei Zara im Schneckentempo gefühlt 100 Kinderhosen abscannen musste und dabei das Für-und-Wieder von Kindergrößen diskutierte, wird man mit “Oh Mist, der schöne Fensterplatz ist jetzt weg” begrüßt. Es ist also etwas hektisch und laut und voll. Dafür aber sehr hipsterisch. Überall stehen Birkenstämme, die Burgersoßen lümmeln in einem grob geschnitzten Holzschiffchen nebst Rosmarinstrauch auf den Tischen und alles ist holzverkleidet. Und da saßen sie, die Hipster. Einer neben dem anderen. Hätte man sie aber gefragt, ob sie einer wären, hätten sie verschmitzt “Nein” gesagt. Ich selbst hätte nein gesagt.
Der Hipster ist verrückt
Jeder von uns kennt diesen Begriff, jeder kann mindestens auf eine Person mit dem Finger zeigen, die zu dieser populären Gattung des homo hipsterus zählen könnte, aber niemand will es am Ende selbst gewesen sein. Es gibt sie also, die Hipster und es gibt sie gleichzeitig nicht, weil niemand einer ist? Die Westentaschenpsychologen in uns diagnostizieren klar eine gesellschaftliche Verdrängung mit Tendenzen zur Schizophrenie, der Philosoph spricht weise von Schrödingers Hipster und die Esoteriker suchen schon einen passenden Kraftstein für dieses zweifellos überirdische Wesen.
Gehen wir also der Frage auf den Grund: Wer bist du, Hipster?
Robert Zwarg, ein weiser Mann des Tagesspiegels, sieht den Hipster irgendwo zwischen Biedermeier und ewiger Jugend, in den unendlichen Weiten zwischen Spießbürgertum und Hippie, was soviel wie überall heißt. Danke Herr Zwarg, aber das hilft nicht weiter.
Beschreiben wir zunächst also den perfekten Hipster, unsere Blaupause.
Die Gattung des homo hipsterus ist in seiner äußeren Erscheinungsform ein Individualist. Sein Kleidungsstil reicht von leger bis schick. Zuweilen trägt er das schlabbrige T-Shirt einer Band, die im 21. Jahrhundert kein Mensch mehr kennt, die aber im Ausklang des späten zwanzigsten sehr funky waren. Jetzt ist diese eingemottete Band nicht mehr funky, sondern fancy und genauso fancy kleidet sich eben der Hipster. Der Hipster mit einem Anspruch an sich selbst und seine Mitmenschen, kann in der Fußgängerzone an dem hellbraunen Kleinkordsacko mit dem kastanienfarbenen Aufnähern an beiden Ellbogen erkannt werden. Mit einer braunen runden Brille der Trendmarke Ray-Ban und Ledertasche schlendert er über den Asphalt, während er das I-Phone in der Hand hält und sich gedankenverloren an den Retrokopfhörern um seinen Hals festhält, deren Kabel sich im Vollbart, vom Barbier gestutzt und geölt, verheddert haben. Vielleicht trägt er unter seinem Jacket, das er in einem dieser sehr kleinen stylischen Vintage-Shops kaufte, eine schicke Weste aus deren Tasche, so munkelt man, vielleicht eine Taschenuhrkette ragt. Die braunkarierte Schiebermütze und die verboten gut aussehenden hellbraunen Lederschuhe aus denen der Knöchel exakt zwei Finger breit herausragt bevor die Chinohose endet, machen den Hipster erst zum vollwertigen Menschen.
Sein weibliches Pendant ist eine junge Frau in ihren frühen Zwanzigern, mit verwuscheltem Haar, das sehr lässig zu einem Dutt gesteckt im Wind wippt, wenn sie an unserem männlichen homo hipsterus vorbeispaziert. Vielleicht trägt sie zum Kaffee Latte To Go ein Vintagekleid mit großem Blumenmuster, das sie mit hellbraunen Boots kombinierte und die große abgewetzte Motorradlederjacke ihres Vaters. Während sie also so durch die große Gasse der Einkaufsmeile schlendert, fällt ihr Blick auf unseren ersten Typus Hipster und sie lächeln sich kurz an, da beide exakt die gleiche Brille tragen.
Klischee Ende.
Vielleicht stellen wir sie uns so vor die Hipster, vielleicht auch ganz anders. Eines ist jedoch klar erkennbar:
Der Hipster recycelt die Vergangenheit und macht etwas Neues draus.
Warum ist das so?
Zunächst einmal leben wir alle, ob Hipster oder nicht, in einer Zeit, die jeden Tag irgendwo auf der Welt etwas Neues produziert. Was gestern noch neu ist, kann morgen schon alt sein, was heute modern ist, kann in einem Jahr schon auf dem Schrotthaufen liegen. Wer dann noch den Leitspruch “Neu ist immer besser” verfolgt, ist schnell verschuldet, gehetzt und fühlt sich dank Instagram und Co. als würde er mit dem I-Phone 6 schon hinter dem Mond leben.
Auf die Innovation ist also kein Verlass mehr. Warum also sollte ihr hinterher gejagt werden, wenn es auch ganz entspannt geht? Die Rückbesinnung auf das Alte und Verlässliche, das heute besser “Retro” und “Vintage” heißt, ist in den Wohnzimmern und Kneipen angekommen. Es werden wieder Omas Standuhren aufgestellt und verschnörkelte Bilderrahmen an die wildgemusterte Tapete aufgehängt, eine Industrielampe taucht alles in warmes Licht und immer mehr Holzverkleidungen zieren die heimischen Wände. DIY’s, die zeigen, wie man aus einem alten Reisekoffer einen Nachttisch baut, sind auf Pinterest der absolute Renner. Upcycling, statt Neukaufen heißt die Parole!
Trotzdem ist der Hipster top informiert. Er kann mitreden, findet Umweltschutz gut, weiß Bescheid und was er nicht kennt, probiert er aus. Von wegen Biedermeier, der Hipster will raus in die Welt. Er versucht, eine Brücke zu einer konstruierten Vergangenheit zu schlagen, die er selbst nie erlebte und der Realität, die er sehr gut kennt.
Warum will niemand ein Hipster sein?
Zunächst einmal gilt der Typus des Hipsters als oberflächlich und gewollt individuell. Schon so individuell, dass er in seinen Vintageklamotten und dem neusten Handy am Ohr eine Karikatur seiner selbst sein könnte. Zwar findet er Umweltschutz gut, aber sein Handy wechselt er trotzdem aller zwei Jahre. Er stellt sich zu Hause einen uralten Tisch auf, der wahrscheinlich schon mit Columbus durch die sieben Weltmeere schipperte und platziert oben drauf das neuste MacBook. “Inkonsequenz” , schreit man ihm entgegen, “Heuchelei!”.
In Wahrheit haben die Kritiker, die alle wohl selber den alten Nierensessel unter der schwarzen Industrielampe stehen haben, Angst. Ob gewollt oder nicht: Hipster, die ja keine Hipster sein wollen, versuchen individuell zu sein und wer möchte das eigentlich nicht? Wer will denn bitteschön von sich sagen: Ja, ich geb’s zu, ich bin wie alle anderen. Wer findet die grellweiße und sterile Kühle eines Apple Stores gemütlicher, als von Oma inspirierte Ambiente eines dieser Hipstercafes?
Genau.
Ein Plädoyer für den Hipster
Nennt euch doch einfach wie ihr wollt, aber wenn ihr euch hier wieder erkannt habt, dann seid ihr womöglich einer dieser ominösen Hipster. Und warum auch nicht? Ein bisschen Individualität hat noch niemandem geschadet und wir alle sind wahrscheinlich schon mit Vintagekleidung von den Geschwistern oder Cousinen aufgewachsen. Warum also damit aufhören?
Weitere Links
Inspiriert wurde ich von dem eingangs schon erwähnten Peter Zwarg aus dem Tagesspiegel. Hier geht’s zur Quelle:
Wer mal richtig schön hipsterlich essen gehen möchte und phänomenale Burger mag: Hier geht’s zum Dresdner Restaurant Hans im Glück
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Du bist gespannt, warum wir über einen Regentänzer geschrieben haben. Hier geht’s zum Beitrag.
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