Sprücheklopfer- Der Regentänzer und sein Facelift
Das Facelift
Unser Regentänzer hat ein Facelift bekommen. Auch wenn der Titel Selbiges vermuten lassen könnte: Es wird im Folgenden also nicht um einen mittfünfziger Typen aus dem Bowlingverein “Regentänzer” gehen, der sich zu einer Schönheits-OP entschieden hat.
Es geht um unseren Beutel.
In der Automobilbranche, so erklärte Man(n) vor kurzem, bezeichnet ein Facelift auch die sogenannte Modellpflege. Man hübscht hier an der Karosserie ein bisschen auf und nimmt da ein bisschen weg, schummelt dort ein wenig dazu. Nichts Besonderes.
Unser Facelift:
VORHER
NACHHER
Der Regentänzer
Doch nutzen wir doch gleich die Gelegenheit der Korrekturmaßnahmen und tauschen uns über diese seltene Lebensform der Regentänzer aus. Ihre Population ist, schenkt man Pinterest, Facebook und Instagram glauben, wohl so groß, wie die des Phytoplanktons in den sieben Weltmeeren zusammen. Überall wird von diesen mysteriösen Wesen erzählt, wie sie bei dem kleinsten Anzeichen eines Sommergewitters raus in die freie Natur auf den noch warmen Asphalt laufen und ihre schönen Köpfe in das kühle Nass des nahenden Sommers halten.
Da ist nur diese eine Sache, die ihre Existenz, ähnlich wie die von Einhörnern, erheblich in Frage stellt: Leider habe ich Regentänzer ungefähr schon so oft getroffen, wie Phytoplankton. Oder Einhörner. Nämlich gar nicht. Sehr zu meinem Bedauern. Vielleicht habe ich sie tatsächlich schon getroffen, aber nicht aktiv wahrgenommen, diese Schlawiner. Dabei könnten wir soviel von diesen scheuen Geschöpfen lernen. Ich hätte so viele Fragen.
Mögliche Szenarien, wie ich dieser unbekannten Lebensform gegenübertreten würde:
,,Mensch, ganz schön nass heute.”, ,,Du auch hier?”, ,,Warum genau duschst du nicht daheim?”, ,,Ist dir kalt?”, ,,Willst du meine Jacke?”, ,,Nee, ich behalte sie doch lieber selbst.”
Regentänzer, eine urbane Legende?
Obwohl so oft von diesen positiv denkenden Allwettermensch berichtet wird, trifft man sie in der freien Wildbahn nie, sodass die These gewagt werden kann: Sie sind eine urbane Legende. Denn so toll, wie sich das mit dem Regentanzen anhört, ist es in Wahrheit wohl nicht, sonst würden sich wohl mehr Menschen als Regentänzer outen. Die meisten sind eher die “Shit-Schirm-Vergessen-Ich-Renn-Mal-Lieber-Regenmenschen”, dann gibt es da noch die stoischen “Och-Nö-Ich-Mach-Den-Schirm-Jetzt-Nicht-Auf-Regenmenschen”, oder die überlegenen, wenngleich unsympathische Lebensform der “Ha-Ihr-Loser-Ich-Hab-Nen-Schirm-Regenmenschen”.
Die einzige Lebensform, die wirklich mit dem Regentänzer verwandt sein könnte, ist der Fesivalregentänzer. Festivalmenschen feiern bekanntlich bei Wind und Wetter. Selbst wenn es Kühe regnete. Das Ganze hat wohl eher einen praktischen Grund: Es wurde viel Geld bezahlt, da hüpft man notgedrungen auch im Schlamm auf und nieder. Und: Das Festival ist eines dieser kleinen Mikrokosmen, das solche Massentänze im Regen zur (in)offiziellen Pflicht erhoben hat. Da stört sich glücklicherweise niemand an Menschen, die im Regen tanzen.
Doch kehren wir zurück auf die realen, unwirtlichen Großstadtstraßen. Diejenigen, die wirklich einen wahrhaften Wiener Walzer auf das regennasse und öffentliche Kopfsteinpflaster legen, suchen wir vergeblich.
Warum ist das wohl so?
Hier kommt die schlichte, aber sehr überzeugende Antwort: Es ist nass. Und kalt.
Man friert sich selbst im Sommer gehörig den Allerwertesten ab, sollte wirklich einmal das Bedürfnis aufkeimen, in den Regen zu gehen, um dort eine flotte Sohle aufs Parkett zu legen. Zudem ist man nach dem kleinen Ausbruch aus der Realität triefend nass. Die Klamotten kleben am Körper, die Haare hängen wie zu lang gekochte Spagetti von der Stirn und die eventuellen Schuhe machen nach der Vorführung witzige, aber sehr nervige Flatschgeräusch. Schlimmstenfalls klingen sie auch, als würde mit jedem Schritt ein Entenjunges erdrückt. Empört euch nicht, wir alle kennen dieses Entenproblem.
Nun also die Frage: Wer geht wirklich raus in den Regen? Nur um des Tanzens willen. Für den Zweck an sich. Einfach so.
Meist ist es doch so: Die “Regentänzer” von Insta, Pinterest und Co. drehen sich wie ein Pusteblumenpuschel stoisch im Kreis, während der Regen auf sie hernieder prasselt, nur damit sie aller Welt zeigen können, wie wahnsinnig verrückt sie heute wieder sind. Man kreischt ausgelassen in die Kamera, während der arme Kameramensch, der hier das eigentliche Opfer ist, mit dem Smartphone drauf hält. So fertig das Bild. Schnell rein ins Warme, heimlich Tee kochen und Bild auf Insta hochladen. Schaut, ich bin ein kleiner Regentänzer. #picoftheday #grippe
Wenn es also ungemütlich ist, im Regen zu tanzen, warum wird uns erzählt, dass wir es unbedingt tun sollten?
- Zunächst ist es cool und ziemlich hip. Man kann den anderen Menschen zeigen: Schaut, ich bin verrückt und tue so, als scherten mich eure Konventionen nicht. Bei den meisten gewollten “Regentänzern” ist das wohl eher Wunsch als Realität.
- Es ist zwar eine Tätigkeit, das man sonst im öffentlichen Raum nicht ausführt, die aber ohne großen Aufwand umsetzbar ist. Man muss sich für ein wenig Rebellion nicht strafbar machen, solange man ein bisschen angezogen bleibt.
- Es symbolisiert Freiheit und Herausstechen aus der Masse. Die Vorstellung, dass man es tun würde, wenn man es könnte, wenn man in der Situation wäre, dass es Regen würde, DANN würde man vielleicht unter Umständen, wenn es niemand sieht, tun. Die vermehrte Aneinanderreihung des Konjunktivs bestätigt schon: So viele würde, könnte, sollte sind schwer auf einen Moment zu reduzieren. Das Gute ist jedoch, man muss es nicht einmal tun, um zu signalisieren: Ich würde es tun. Vielleicht.
Es ist ok, kein Regentänzer zu sein.
Es ist nun einmal nicht jedes Menschen Ding. Das ist völlig in Ordnung. Aber stellt euch bitte nicht in den Regen, nur weil es cool ist und ihr ein Foto davon in einem sozialen Netzwerk posten könnt. Das kauft euch niemand ab und ihr friert. Das ist es nicht wert.
Aufruf:
Wenn es euch da draußen wirklich gibt, ihr echten und ehrlichen Regentänzer; diejenigen, die sich wirklich einfach nur über den Regen freuen und vor allem tanzen können: Geht da raus und rettet eure Zunft! Wir würden euch wirklich gern live und in Farbe auf den Straßen eurer Stadt sehen!
Zu den Beuteln
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