Beutel-Eule Unterwegs- Von Wellness, Rentnersex und Mülltüten
Von Wellness, Rentnersex und Mülltüten
“Mach doch mal Wellness!”, haben sie gesagt. “Tut dir gut!”, haben sie gesagt.
Wir haben es getan.
Wie kommts Fräulein Eule?
Ich bin Mitte zwanzig und wenn wir ehrlich sind, braucht mein studiumverwöhnter Körper keine Rundum-Renovierungsmaßnahme. Ja, das Klischee würde an dieser Stelle eher nach einer Entgiftungskur schreien. “Wellness”, das klingt in jüngeren Ohren nach Gürkchenscheiben auf dem vom wilden Leben gegerbten Gesicht aller Mittsechziger, die ich lieber in meinem GinTonic schwimmen sehen würde. Die Gürkchen, nicht die Rentner.
Während also ältere Menschen Wellness betreiben, um die Spätfolgen ihrer durchzechten Mittzwanziger auszubügeln, beuge ich schon mal vor und lasse das Ganze gar nicht erst soweit kommen. Als meine Begleitung seufzend meinte: “Ich brauche Urlaub vom Urlaub!” schmiedeten wir einen Plan. Wir würden uns entspannen und es würde großartig werden!
Marienbad
Nach einschlägiger Rechereche kürten wir Marienbad unter Pauken und Trompeten zu unserem Entspannungsbullerbü. Warnungen wie: “Na sowas, meine Oma fährt da auch immer hin!” und “Hey, ihr werdet den Altersdurchsschnitt erheblich senken”, was mir wiederum von meiner eigenen Oma auf den Weg gegeben wurde, schlugen wir jung und dumm in den Wind. Lang lebe die Rebellion!
Wir nahmen diesen postanarchischen Leitspruch auf der Fahrt ins beschauliche Marienbad leider etwas zu ernst. Diese Erkenntnis reifte just in dem Moment heran, als wir geflissentlich unser Navigationssystem ignorierten und vom Kauf einer Vignette absahen, die uns für die Nutzung der tschechischen Autobahnnetzes legitimiert hätte. Als wir uns plötzlich im tschechischen Hinterland auf irgendeiner Schotterpiste wiederfanden, umringt von wabbeligen Nebelschwaden und mindestens einem Abgrund auf je einer Fahrbahnseite, war es für die Vignette zu spät. Nicht einmal das fette Rotkäppchen namens Olga, das mit fescher roter Kappe und vorm bösen Wolf flüchtend aus dem herbstlichen Dickicht sprang, hatte eine dabei. Gerade als der irrwitzige Märchenwald mit den halsbrecherischen Kurven in eine Asphaltstraße mündete, und wir bereits den Hauch von Zivilisation verspürten …. RUMS!.. te es gewaltig. Neben uns tauchte ein bekrakeltes Schild auf, das mit “Fräski” warb. Gewitzte Tschechen des örtlichen Straßenbauamtes hatten mal eben Teile der Asphaltdecke ausgefräst und mitgenommen. Teile der Asphaltdecke, einfach mitgenommen!! Vielleicht wollten sie auch kleine Zierfischteiche auf der Fahrbahn anlegen, wir werden es wohl nie erfahren.
Für alle, deren Begeisterung für Geografie gerade bis zum Fußabtreter vor der heimischen Türschwelle reicht: Marienbad liegt in Tschechien. Das sollte erwähnt werden, denn eigentlich ist es eher das ergraute Äquivalent zur deutschen Mallorcakolonie. Der Auslandsstützpunkt der deutschen Rentervereinigung kippt in Marienbad im Viertelstunden Takt Busladungen voller Weißgeschöpfe aus, die bewaffnet mit Rollatoren und Gehhilfen die beschaulichen Straßen des Kurortes im gemächlich, wankenden Schritt fluten. Wirklich jeder spricht Deutsch, sodass man schräg angestarrt wird, sollte versehentlich ein englisches Wort über die jugendlichen Lippen kommen.
Das ist doch Französisch oder?
Etwas genervt angekommen, begrüßte uns die Empfangsdame mit einem perfektem Deutsch. Sie wies uns darauf hin, dass unser Zimmer für “Menschen mit besonderen Bedürfnissen” ausgestattet sei. Meine Begleitung feixte, ich wurde rot. Die Buchung des Zimmer lief nämlich im heimischen Eulennest folgendermaßen ab:
“Schau! Ich hab gebucht!”
Beweisfoto
“Ähm, Disabled Suite? Bist du dir sicher?”
“Jup, war das letzte freie Zimmer.”
“Mhm, also ich weiß ja, dass unser Humor merkwürdig ist, aber Behinderung geht dann vielleicht doch etwas weit, oder?”
“Oh, ich dachte das sei Französisch. Diiis-ha-bleeed”
“Nur weil du es französisch aussprichst, bleibt es trotzdem behindert”
Googelt
“Mist, du hast Recht. Ich frag mal, ob schlechte Fremdsprachenkenntnisse dazu zählen”
Der Vorteil von offensichtlichen Lücken im Bildungsportfolio war ein Bad, in dem man Wiener Walzer tanzen konnte und ein riesiges Prinzessinnen Bett mit ausladender Fensterfront.
Ich heb ab!
Der einzige Ort, an dem es legitim ist, halbnackt durch die brokatgesäumte Öffentlichkeit zu watscheln, ist das Wellnesshotel. Hier gehört es zum guten Ton, selig lächelnd durch die Gänge zu schreiten, während man sich im übergroßen Bademantel wie Meister Joda fühlt und mit den zu langen Ärmeln wedelnd “Guck ich kann fliegen!” durch die Lobby brüllt. Wir begaben uns also in diesem Aufzug zum Anwendungsbereich des Hotels.
Ich muss gestehen, dass die folgenden Anwendungen (so nennt man das) die ersten meines noch jungen Lebens waren und ich demnach keine Ahnung hatte, was uns erwarten würde. Bei der Buchung der “Diiiisableeeeed Suite” waren gleich drei Anwendungen inklusive, eine davon nannte sich mysteriös “Trockengasbad”. Obwohl sowohl das Attribut “trocken” als auch der Aggregatzustand “gasförmig” ohne Umstände allein aus dem Namen erschlossen werden konnten, stützte ich mich doch ganz auf die Erfahrungen, die ich mit Bädern gemacht hatte. Da die meistens in Badewannen eingenommen werden und blubberförmiges Gas im Wasser keine Seltenheit darstellt, war ich etwas schockiert, als ich im Anwendungsbereich keine Wanne sondern eine Pritsche vorfand, um die ein roter Gurt befestigt war. Wir wurden in einzelne Kabinen separiert und eine stämmige Damen drückte mir einen blauen Pastiksack in die Hand. “Anziehen!”, befahl sie mit ausgeprägtem tschechischen Akzent. Ich starrte sie an, blickte vom Sack wieder auf die dicke Dame. Sie nickte mir mit festem Blick und zusammengekniffenen Mund zu. “Anziehen?”, fragte ich noch belustigt. “Den Sack?” Sie nickte abermals. Ok, ihr war das Ganze ernst. In der Nebenkabine lachte meine Bekleidung. Ihr würde das Lachen schon vergehen, dachte ich mir, währenddessen ich in meinen blauen Sack stieg.
Mit Assoziationen aus einschlägigen Horrorfilmen und Mafiakrimis, in den Müllsäcke meist zur Entsorgung von portionierten Protagonisten omnipräsent sind, robbte ich bauchlings wie ein junger Heuler in einem blauen Sack auf die Pritsche. Die Dame kam nun geschäftig in meine Kabine und zückte einen Schlauch, der verdächtig nach einem Tankstutzen aussah. Auf tschechisch fluchend, schmiss sie das Ding an und leitete tatsächlich Gas in den blauen Sack, der sich wie ein Heißluftballon aufblähte. Für Sack wie Frau völlig normal, musste ich wie ein eingetuppertes Hühnchen aus dem Sack gelugt haben, denn nachdem ich festgegurtet war (damit das Gas nicht entweichen konnte), drückte mich die Frau auf die Pritsche und befahl mir barsch, ich solle mich nun entspannen.
Ich tat wie mir geheißen wurde. Nach zehn Minuten krampfhafter Entspannung zu den sanften Klängen der Lüftungsanlage, die wie ein kleiner Feuerdrache in irgendeiner Raumecke vor sich hinfauchte, reifte langsam folgendes Gedankenspiel vor sich hin.
Man stelle sich vor, man liegt fest gezurrt in einem blauen, aufgeblasenen Müllsack auf einer Pritsche in der tschechischen Provinz, während mir eine offenkundig kaputte Lüftungsanlage ins Ohr schnarrt. Man stelle sich nun folgend vor, dass all dieses Brimborium völliger Schwachsinn ist. Alles Fake. Schnöder Zauber.
Dann steckt man in einem blauen, aufgeblasenen Müllsack …. festgezurrt auf einer Pritsche…. völlig umsonst. Ich stellte mir ferner vor, dass nun eben dieses Bild Material einer “Verstehen Sie Spaß”- Folge sein würde. Die Entspannung war dahin.
Nach zwanzig Minuten Entspannung rauschte die dicke Dame wieder in die Kabine und öffnete den Sack. Mit einem Zischen entwich das Gas, ich zweifelte an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit dessen. Auf dem Weg zu Anwendung zwei und drei, bei denen ich der Masseurin einen Heiratsantrag machte, sie aber ablehnte, kamen uns Rentner entgegen, die bereits einen Mehrzwecksack mit sich herum trugen. Im fortgeschrittenen Alter fanden wir den Mehrzweck-Müllbeutel etwas makaber.
Sex Sells?
Doch nun zu dem Teil, auf den wohl alle gewartet haben. Der Rentnersex. Soviel voraus: Generell bin ich sehr tolerant und verfüge über Schlafgewohnheiten, für die sogar das Kreuzberger Dornröschen in einer tiefen Raucherstimme “Respekt!” schnarren würde, während es auf die Berliner Straßen spuckt. Eher Marke Stein. Just an diesem Abend blieb dieser winterstarrehafte Schlaf schändlicher weise aus, während meine Begleitung neben mir mit Einhörnern über den Regenbogen ihres Traumlandes galoppierte. Als ich also dumm herum lag und mich langweilte, setzte ein Rentnerpaar zum Höhepunkt des Abends an. Sehr laut, sehr schrill und mit seltsamen Vokabeln, die ich ungern in meinem Blog veröffentlichen wollte. Nach zehn Minuten wich meine anfängliche Belustigung über das Schauspiel exponenziell mit der steigenden Lautstärke, vornehmlich die der Dame. Ich fühlte mich als Zuhörerin leider etwas zu sehr in das Geschehen eingebunden, die überdeutlichen Regieanweisungen an den Darsteller hörte leider das ganze Hotel.
Nach etwa zwanzig Minuten, zog ich vor dem Lungenvolumen beider Protagonisten den Hut. Pavarotti wäre vor stolz geplatzt. Ich fragte mich außerdem wie viel es bräuchte, um an einem Herzinfakt zu sterben. Rein hypothetisch … versteht sich.
Ich widerstand nach der dreiviertelstündigen Vorstellung von “Die Zauberflöte” dem Drang, der Darbietung mit einem kräftigen Applaus zu huldigen. Meine Begleitung hätte die Begeisterungsstürme wohl nicht verstanden. Am nächsten Morgen jedoch hatte ich sie alle im Verdacht. Jedes graugeschöpfte Ehepaar bedachte ich beim Frühstück mit diesem “Ich weiß, was du letzte Nacht getan hast, du Luder”-Blick und nickte dabei sehr wissend bis anklagend, genau wie sie es bei mir und meinem vollen Teller am letzten Buffettabend getan hatten. Oh süße Rache. Ich werde eine großartig verbiestert-alte Dame werden.
Fazit
Wellness ist super. Punkt. Nur die Mitwellnesser sind ein bisschen… nun ja…. alt. Falls jemand der Beutelfreunde ein schickes Wellnesshotel für junge Menschen kennt, so lasset es die Autorin wissen!
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